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Patientenverfügung: Leitfaden für rechtliche Vorsorge bei medizinischen Entscheidungen

Eine Patientenverfügung ist ein rechtlich bindendes Dokument, das Ihre medizinischen Behandlungswünsche für den Fall festhält, dass Sie selbst nicht mehr entscheidungsfähig sind. Angesichts des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung gewinnt die Patientenverfügung zunehmend an Relevanz für die persönliche Lebensplanung und gibt Angehörigen sowie Ärzten wichtige Orientierung in schwierigen Entscheidungssituationen.

 

Was ist eine Patientenverfügung? – Definition und rechtliche Grundlagen

Eine Patientenverfügung ist eine schriftliche Willenserklärung einer einwilligungsfähigen volljährigen Person für den Fall, dass sie ihren Willen nicht mehr äußern kann. Sie legt fest, ob und wie die Person in bestimmten Situationen ärztlich behandelt werden möchte oder nicht.
Seit dem 1. September 2009 ist die Patientenverfügung in § 1901a BGB gesetzlich geregelt. Das Gesetz besagt, dass eine Patientenverfügung für alle an der Behandlung beteiligten Personen verbindlich ist, sofern sie den konkreten Behandlungssituationen entspricht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen die Anforderungen an Patientenverfügungen präzisiert und deren Reichweite definiert.

Kernelemente einer wirksamen Patientenverfügung

Eine rechtswirksame Patientenverfügung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  1. Schriftform: Die Verfügung muss handschriftlich oder maschinell erstellt und eigenhändig unterschrieben werden. Eine notarielle Beurkundung ist nicht zwingend erforderlich, aber empfehlenswert.
  2. Einwilligungsfähigkeit: Der Verfasser muss zum Zeitpunkt der Erstellung die Tragweite seiner Entscheidungen verstehen können.
  3. Konkrete Situationsbeschreibung: Die Verfügung sollte spezifische medizinische Situationen und gewünschte oder unerwünschte Behandlungsmaßnahmen detailliert beschreiben.
  4. Eindeutige Willensäußerung: Der Wille des Verfassers muss klar und unmissverständlich formuliert sein.

 

Patientenverfügung vs. Vorsorgevollmacht vs. Generalvollmacht – Die wichtigsten Unterschiede

Eine Patientenverfügung regelt medizinische Maßnahmen, eine Vorsorgevollmacht gesundheitliche Entscheidungen und eine Generalvollmacht alle rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten einer Person.

Patientenverfügung: Medizinische Behandlungswünsche
Eine Patientenverfügung tritt in Kraft, wenn eine Person nicht mehr einwilligungsfähig ist. Sie regelt medizinische Behandlungen wie lebenserhaltende Maßnahmen, Schmerztherapie, künstliche Ernährung, Beatmung, Dialyse und die Regelungen zur Organspende und Wiederbelebung.Wiederbelebungsmaßnahmen

Vorsorgevollmacht: Umfassende Vertretungsmacht
Eine Vorsorgevollmacht ermächtigt eine Vertrauensperson, in verschiedenen Bereichen wie Gesundheitssorge, Vermögensangelegenheiten, Behörden-, Post- und Wohnungsangelegenheiten zu handeln. Sie geht über die Patientenverfügung hinaus und kann diese ergänzen.

Generalvollmacht: Weitreichende Handlungsbefugnis
Die Generalvollmacht ist die umfassendste Form der Vollmacht und berechtigt den Bevollmächtigten zu nahezu allen Rechtsgeschäften. Sie sollte nur Personen des absoluten Vertrauens erteilt werden.

Unterschiede im Überblick:

  1. Patientenverfügung
    1. Geltungsbereich: Nur medizinische Behandlung
    2. Wirkung: Direktive Anweisung
    3. Kontrolle: Keine nachträgliche Änderung durch Dritte
  2. Vorsorgevollmacht
    1. Geltungsbereich: Definierte Lebensbereiche
    2. Wirkung: Ermächtigung zur Vertretung
    3. Kontrolle: Widerruf jederzeit möglich
  3. Generalvollmacht
    1. Geltungsbereich: Alle Rechtsgeschäfte
    2. Wirkung: Umfassende Vertretungsmacht
    3. Kontrolle: Widerruf jederzeit möglich

 

Vorteile einer Patientenverfügung

Eine Patientenverfügung sichert die Selbstbestimmung bis zum Lebensende, entlastet Angehörige und Ärzte und kann Kosten im Gesundheitssystem sparen.

  1. Selbstbestimmung bis zum Lebensende
    Der wichtigste Vorteil einer Patientenverfügung liegt in der Wahrung der persönlichen Autonomie. Sie ermöglicht es, auch in Situationen der Entscheidungsunfähigkeit die eigenen Wertvorstellungen und Behandlungswünsche durchzusetzen.
  2. Entlastung für Angehörige
    Angehörige stehen oft vor der schwierigen Aufgabe, stellvertretend über medizinische Maßnahmen zu entscheiden. Eine klare Patientenverfügung nimmt ihnen diese emotionale Belastung und gibt Sicherheit bei schwerwiegenden Entscheidungen.
  3. Rechtssicherheit für Ärzte
    Medizinisches Personal erhält durch eine Patientenverfügung klare Handlungsanweisungen und rechtliche Sicherheit. Dies verhindert Behandlungen gegen den Willen des Patienten und schützt vor rechtlichen Konsequenzen.

 

Auswahl und Rolle des Bevollmächtigten

Die richtige Auswahl eines vertrauenswürdigen, durchsetzungsfähigen, verfügbaren und emotional stabilen Bevollmächtigten ist für die Umsetzung einer Patientenverfügung essenziell, wobei auch Ersatzregelungen und die Art des gemeinsamen Handelns bedacht werden sollten.

Kriterien für die Auswahl
Die richtige Auswahl eines vertrauenswürdigen, durchsetzungsfähigen, verfügbaren und emotional stabilen Bevollmächtigten ist für die Umsetzung einer Patientenverfügung essenziell, wobei auch Ersatzregelungen und die Art des gemeinsamen Handelns bedacht werden sollten.

Aufgaben und Verantwortlichkeiten
Der Bevollmächtigte ist für die Interpretation der Patientenverfügung, die Kommunikation mit dem medizinischen Personal, die Überwachung der durchgeführten Maßnahmen, Entscheidungen in nicht geregelten Fällen und die Dokumentation wichtiger Entscheidungen verantwortlich.

Mehrere Bevollmächtigte und Ersatzregelungen
Es ist ratsam, mehrere Bevollmächtigte zu benennen oder Ersatzpersonen zu bestimmen. Dabei sollte geregelt werden, ob diese einzeln oder gemeinsam handeln sollen. Bei gemeinsamer Bevollmächtigung können Konflikte entstehen, bei Einzelbevollmächtigung besteht das Risiko von Interessenkonflikten.

 

Rechtliche Anforderungen und Formvorschriften

Nach § 1901a BGB muss eine Patientenverfügung schriftlich abgefasst und vom Verfügenden eigenhändig unterschrieben werden. Eine mündliche Patientenverfügung ist rechtlich nicht bindend, kann aber als Indiz für den mutmaßlichen Willen herangezogen werden.

Keine notarielle Beurkundung erforderlich
Für Patientenverfügungen ist keine notarielle Beurkundung vorgeschrieben, aber sie kann dennoch vorteilhaft sein, indem sie die Authentizität des Dokuments, die Einwilligungsfähigkeit bei Erstellung und die Rechtssicherheit bestätigt.

Aufbewahrung und Auffindbarkeit
Die Patientenverfügung sollte an einem Ort aufbewahrt werden, wo sie im Notfall schnell gefunden werden kann. Empfohlene Orte für die Aufbewahrung sind bei einer Vertrauensperson, dem Hausarzt, im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer, in einer Notfalldose im Kühlschrank oder als Kopie in der Geldbörse.

 

Abgedeckte medizinische Bereiche

Eine Patientenverfügung sollte konkrete Informationen und Regelungen enthalten: 

  1. Lebenserhaltende Maßnahmen
    Die Patientenverfügung sollte detaillierte Angaben zu lebenserhaltenden Maßnahmen enthalten:
    1. Künstliche Beatmung: Festlegung, unter welchen Umständen eine Beatmung erwünscht oder abzulehnen ist.
    2. Dialyse: Entscheidung über Nierenersatzverfahren bei irreversiblem Nierenversagen.
    3. Künstliche Ernährung: Regelung zur PEG-Sonde oder intravenösen Ernährung.
    4. Herzschrittmacher: Bestimmungen zur Implantation oder Deaktivierung.
  2. Schmerztherapie und Palliativmedizin
    Ein wichtiger Bestandteil sollte die Schmerzbehandlung sein. Viele Verfügungen enthalten den Wunsch nach:
    1. Ausreichender Schmerzmedikation auch bei lebensverkürzender Wirkung
    2. Palliativmedizinischer Betreuung
    3. Hospizbetreuung in der Sterbephase
    4. Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bei unheilbaren Krankheiten
  3. Wiederbelebungsmaßnahmen
    Die Patientenverfügung kann Regelungen zu Reanimationsmaßnahmen enthalten. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen:
    1. Situationen mit Aussicht auf Heilung
    2. Situationen im Sterbeprozess
    3. Dauerhaften Bewusstlosigkeitszuständen
  4. Organspende und Gewebespende
    Obwohl die Organspende durch den Organspendeausweis geregelt wird, kann die Patientenverfügung ergänzende Bestimmungen enthalten, insbesondere zur:
    1. Gewebespende
    2. Spende zu Forschungszwecken
    3. Obduktion

 

Gültigkeit und rechtliche Wirksamkeit

Eine Patientenverfügung ist nur wirksam, wenn sie folgende Bedingungen erfüllt:

  1. Die Person muss einwilligungsfähig sein und die Tragweite ihrer Entscheidungen verstehen.
  2. Die Verfügung muss freiwillig, ohne Zwang oder Druck erstellt worden sein.
  3. Sie muss bestimmte Situationen und Behandlungswünsche klar beschreiben.
  4. Zudem sollte die Verfügung regelmäßig auf Aktualität geprüft werden, auch wenn kein offizielles Verfallsdatum existiert.

 

Grenzen der Patientenverfügung

Nicht alle Wünsche können in einer Patientenverfügung wirksam festgelegt werden:

  1. Verlangen nach aktiver Sterbehilfe (in Deutschland strafbar)
  2. Behandlungswünsche, die medizinisch sinnlos oder schädlich sind
  3. Forderungen nach bestimmten Ärzten oder Kliniken ohne medizinische Begründung

 

Prüfung durch Ärzte und Betreuer

Ärzte und Betreuer müssen prüfen, ob die Patientenverfügung auf die konkrete Situation anwendbar ist. Bei Zweifeln kann das Betreuungsgericht eingeschaltet werden. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass auch allgemein gehaltene Formulierungen wirksam sein können, wenn der Wille des Patienten eindeutig erkennbar ist (BGH XII ZB 61/16, Februar 2024).

 

Änderung und Anpassung der Patientenverfügung

Obwohl eine Patientenverfügung zeitlich unbegrenzt gültig bleibt, empfehlen Experten eine regelmäßige Überprüfung alle zwei bis drei Jahre. Anlässe für eine Überprüfung sind:

  1. Schwere Erkrankungen
  2. Änderung der Lebensumstände
  3. Neue medizinische Erkenntnisse
  4. Änderung der persönlichen Einstellung

Formvorschriften für Änderungen
Änderungen an der Patientenverfügung unterliegen denselben Formvorschriften wie die ursprüngliche Verfügung:

  1. Schriftform erforderlich
  2. Eigenhändige Unterschrift
  3. Datum der Änderung
  4. Eindeutige Kennzeichnung geänderter Passagen

Widerruf der Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden, solange der Verfasser einwilligungsfähig ist. Der Widerruf kann erfolgen durch:

  1. Vernichtung des Dokuments
  2. Schriftliche Widerrufserklärung
  3. Mündlichen Widerruf (sollte dokumentiert werden)

 

Sicherstellung der Anwendung im Ernstfall

Damit eine Patientenverfügung im Ernstfall wirksam wird, müssen alle Beteiligten informiert werden:

  1. Angehörige: Sollten über die Existenz und den Aufbewahrungsort informiert sein.
  2. Hausarzt: Erhält idealerweise eine Kopie und kann bei Bedarf beraten.
  3. Bevollmächtigte: Müssen den Inhalt kennen und verstehen.
  4. Pflegeeinrichtungen: Bei Heimaufnahme sollte die Patientenverfügung vorgelegt werden.

Notfallmaßnahmen und Rettungsdienst
Für Notfallsituationen sind besondere Vorkehrungen zu treffen:

  1. Notfallausweis oder -karte mit Verweis auf die Patientenverfügung
  2. Hinterlegung beim Hausarzt
  3. Information des Rettungsdienstes über den Bevollmächtigten

Zentrale Registrierung
Das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer bietet die Möglichkeit, Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten zu registrieren. Dies erleichtert das Auffinden im Ernstfall erheblich. Die Registrierung kostet einmalig 15 Euro und ist rund um die Uhr abrufbar.

Kommunikation mit medizinischem Personal
Im Krankenhaus sollte die Patientenverfügung sofort dem behandelnden Arzt vorgelegt werden. Wichtig ist:

  1. Klare Kommunikation der Behandlungswünsche
  2. Benennung des Bevollmächtigten
  3. Dokumentation im Krankenblatt
  4. Information aller beteiligten Fachabteilungen

 

Fazit: Patientenverfügung als wichtiges Instrument der Selbstbestimmung

Die Patientenverfügung ist ein unverzichtbares Instrument zur Wahrung der Selbstbestimmung in medizinischen Angelegenheiten. Sie gibt nicht nur dem Verfügenden Sicherheit, sondern entlastet auch Angehörige und medizinisches Personal in schwierigen Entscheidungssituationen. Eine wirksame Patientenverfügung erfordert sorgfältige Vorbereitung, klare Formulierungen und regelmäßige Überprüfung. Die Kombination mit einer Vorsorgevollmacht und die Auswahl einer vertrauenswürdigen Vertretungsperson sind entscheidend für die praktische Umsetzung. Angesichts der demografischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts wird die Bedeutung der Patientenverfügung weiter zunehmen. Jeder Erwachsene sollte sich frühzeitig Gedanken über seine Behandlungswünsche machen und diese in einer rechtssicheren Form dokumentieren.

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