Die Auszahlung von Riester-Renten und deren steuerliche Behandlung sind ein wichtiger Aspekt der Altersvorsorge für viele Deutsche. Um finanzielle Nachteile zu vermeiden, ist es entscheidend, die steuerlichen Regelungen zu kennen. 2024 hat das Bundesfinanzministerium erschreckend niedrige Durchschnittswerte für die Riester-Rente veröffentlicht: durchschnittlich 136 Euro monatlich, mit 77 Prozent der Rentner, die weniger als 166 Euro erhalten. Diese Zahlen stellen die Effektivität des Riester-Systems in Frage und betonen die Notwendigkeit einer eingehenden Auseinandersetzung mit den steuerlichen Konsequenzen.
Grundprinzipien der nachgelagerten Besteuerung bei Riester-Auszahlungen
Das System der nachgelagerten Besteuerung erlaubt es, während der Erwerbstätigkeit bis zu 2.100 Euro jährlich steuerlich geltend zu machen, was eine sofortige Steuerentlastung bedeutet. Die Besteuerung wird in die Auszahlungsphase verschoben, unter der Annahme, dass das Einkommen im Rentenalter niedriger und damit auch der Steuersatz geringer ist. In der Realität profitieren jedoch nicht alle Riester-Sparer gleichermaßen von dieser Regelung.
- Vollständige Steuerpflicht der Riester-Auszahlungen
Die Riester-Rente unterscheidet sich von anderen Vorsorgeformen, da sie bereits heute voll steuerpflichtig ist. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rente, die bis 2058 schrittweise voll besteuert wird, sind Riester-Auszahlungen sofort in voller Höhe einkommensteuerpflichtig. Dies betrifft monatliche Rentenzahlungen, Teilkapitalauszahlungen, Kleinbetragsrenten-Abfindungen und Wohn-Riester-Entnahmen. - Steuererklärungspflicht für Riester-Rentner
Beim Auszahlen des Riester-Kapitals muss immer eine Steuererklärung eingereicht werden, unabhängig davon, ob die Einkünfte den Grundfreibetrag überschreiten. Die Versteuerung erfolgt über das Formular Anlage R-AV.
Verschiedene Auszahlungsoptionen und deren steuerliche Behandlung
- Reguläre monatliche Rentenauszahlung
Die häufigste Form der Auszahlung von Riester-Renten ist eine lebenslange monatliche Rente, die ab 60 bis 68 Jahren beginnt und voll einkommensteuerpflichtig ist. Die durchschnittliche Riester-Rente beträgt 136 Euro im Monat und der Steuersatz hängt vom Gesamteinkommen des Rentners ab. Ein Rentner mit einem Einkommen von 30.000 Euro zahlt etwa 245 Euro Steuern für seine Riester-Rente bei einem Steuersatz von 15 Prozent. - Teilkapitalauszahlung zu Rentenbeginn
Eine Teilkapitalauszahlung bietet die Möglichkeit, bis zu 30 Prozent des angesparten Kapitals zu Rentenbeginn als Einmalzahlung zu erhalten. Diese Option ist voll steuerpflichtig, was hohe Steuerlasten durch Progressionseffekte nach sich ziehen kann. Steuerexperten empfehlen häufig, die Teilkapitalauszahlung in das Jahr nach dem Ruhestandsbeginn zu verschieben, um eine Doppelbelastung durch Erwerbseinkommen und Kapitalauszahlung zu vermeiden. - Kleinbetragsrenten und deren Abfindung
Bei sehr geringen monatlichen Rentenbeträgen erfolgt anstatt einer monatlichen Rente eine einmalige Abfindung. Die Grenzen für Kleinbetragsrenten liegen 2025 bei:- Alte Bundesländer: 37,45 Euro monatlich
- Neue Bundesländer: 36,72 Euro monatlich
Diese Abfindungen unterliegen grundsätzlich der vollen Steuerpflicht, jedoch gewährt das Finanzamt seit 2018 eine ermäßigte Besteuerung für kapitalisierte Kleinbetragsrenten.
Aktuelle Statistiken zu Riester-Auszahlungen 2024/2025
Statistiken des Bundesfinanzministeriums zeigen eine deutliche Zunahme der Personen in der Auszahlungsphase. Ende 2023 befanden sich 1.165.245 Personen mit mindestens einem Riester-Vertrag in der Auszahlungsphase, gegenüber 1.015.209 Personen im Jahr 2022. Das Gesamtauszahlungsvolumen belief sich auf rund 1,9 Milliarden Euro.
Die Analyse der Auszahlungsverteilung offenbart erhebliche Unterschiede (Stand 2023):
- 30,8% erhalten bis 500 Euro jährlich (max. 41,66 Euro/Monat)
- 32% erhalten bis 1.000 Euro jährlich (max. 83 Euro/Monat)
- 77% erhalten weniger als 2.000 Euro jährlich (max. 166 Euro/Monat)
- 13,1% erhalten ab 250 Euro monatlich
- Nur jeder 18. Riester-Rentner erhält 500+ Euro monatlich
Bei Riester-Rentnern mit laufender Alters- oder Erwerbsminderungsleistung zeigen sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede:
- Männer: durchschnittlich 92,44 Euro monatlich (1.109,31 Euro jährlich)
- Frauen: durchschnittlich 72,17 Euro monatlich (865,99 Euro jährlich)
Diese Diskrepanz spiegelt die unterschiedlichen Erwerbsbiografien und Einkommensniveaus wider, die sich auch in der privaten Altersvorsorge fortsetzen.
Steuerliche Auswirkungen nach Einkommensniveaus
- Grundfreibetrag und Steuerpflicht
Der Grundfreibetrag 2025 beträgt 12.084 Euro für Alleinstehende und 24.168 Euro für Ehepaare bei gemeinsamer Veranlagung. Viele Riester-Rentner könnten theoretisch unterhalb der Steuerpflicht bleiben, wenn nicht andere Einkünfte hinzukommen. - Progressionseffekte bei höheren Einkommen
Die Auszahlung von angespartem Riester-Kapital nebst den jeweiligen steuerlichen Auswirkungen zeigt besonders bei höheren Einkommen deutliche Progressionseffekte.
Ein Rentner mit 40.000 Euro zu versteuerndem Einkommen unterliegt einem höheren Steuersatz als jemand mit 20.000 Euro Einkommen.- Beispielrechnung Steuerbelastung:
- Zu versteuerndes Einkommen: 25.000 Euro
- Durchschnittlicher Steuersatz: ca. 12%
- Riester-Rente: 1.632 Euro jährlich
- Zusätzliche Steuerlast: ca. 196 Euro
- Beispielrechnung Steuerbelastung:
- Wechselwirkungen mit anderen Alterseinkünften
Die steuerliche Behandlung wird komplexer, wenn verschiedene Alterseinkünfte zusammentreffen:- Gesetzliche Rente (83,5% steuerpflichtig für Neurentner 2025)
- Betriebsrente (vollständig steuerpflichtig)
- Riester-Rente (vollständig steuerpflichtig)
- Private Rentenversicherung (nur Ertragsanteil steuerpflichtig)
Wohn-Riester: Besondere Besteuerungsregelungen
Beim Wohn-Riester erfolgt die Besteuerung über das Wohnförderkonto, ein fiktives Konto der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA). Alle ausgezahlten Beträge oder geförderten Tilgungsleistungen werden erfasst und bis zum Renteneintritt jährlich mit zwei Prozent verzinst.
- Option 1: Einmalige Versteuerung
- Gesamte Steuerschuld wird auf einmal beglichen
- 30% Steuernachlass auf das Wohnförderkonto-Guthaben
- Nur 70% des Guthabens sind steuerpflichtig
- Kann zu hohen Progressionseffekten führen
- Option 2: Jährliche Besteuerung
- Verteilung über 18 Jahre (vom 67. bis 85. Lebensjahr)
- Jährlich 1/18 des Guthabens als zusätzliches Einkommen
- Vermeidet Progressionsspitzen
- Ermöglicht Stundungseffekt
Experten empfehlen die Einmalzahlung nur für Rentner mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von mehr als 33.000 Euro. Bei geringeren Einkommen ist die jährliche Besteuerung meist vorteilhafter.
Optimierungsstrategien für die Auszahlungsphase
Die Wahl des optimalen Auszahlungszeitpunkts kann erhebliche steuerliche Auswirkungen haben:
- Strategische Überlegungen:
- Verschiebung der ersten Auszahlung ins Jahr nach Beendigung der Erwerbstätigkeit
- Vermeidung von Doppelbelastungen durch gleichzeitige Erwerbs- und Renteneinkünfte
- Berücksichtigung anderer Einmalzahlungen (Abfindungen, Kapitalauszahlungen)
- Teilkapitalauszahlung strategisch planen
Bei der 30%-Teilkapitaloption sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden:- Aktueller und prognostizierter Steuersatz
- Andere Einkünfte im Auszahlungsjahr
- Mögliche Verteilung auf mehrere Jahre
- Alternative Verwendung des Kapitals
- Kombination verschiedener Altersvorsorgeformen
Eine ausgewogene Kombination verschiedener Altersvorsorgeformen kann steuerliche Vorteile bieten:- Mischung aus vollständig und teilweise steuerpflichtigen Renten
- Zeitliche Staffelung der Auszahlungen
- Berücksichtigung von Freibeträgen und Progressionszonen
Sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Riester-Rente hängt vom Versicherungsstatus ab:
- Pflichtversicherte in der KVdR:
- Riester-Renten sind sozialversicherungsfrei
- Keine zusätzlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
- Freiwillig Versicherte:
- Beitragspflicht auf Riester-Renten
- Erhöhung der Nettobelastung
- Besonders relevant für Selbständige und Beamte im Ruhestand
Riester-Renten können Auswirkungen auf andere Sozialleistungen haben:
- Grundsicherung im Alter
- Wohngeld
- Krankenversicherungsbeiträge
Häufige Fehler und deren Vermeidung
- Unzureichende Berücksichtigung der Steuerpflicht
Viele Riester-Sparer unterschätzen die vollständige Steuerpflicht der Auszahlungen und planen mit zu hohen Nettorenten. - Ungünstige Zeitpunkt-Wahl für Teilkapitalauszahlungen
Die Auszahlung großer Beträge in Jahren mit hohen anderen Einkünften führt zu unnötig hohen Steuerbelastungen. - Fehlende Koordination verschiedener Altersvorsorgeformen
Die isolierte Betrachtung der Riester-Rente ohne Berücksichtigung anderer Alterseinkünfte führt zu suboptimalen Gesamtergebnissen.
Präventive Maßnahmen
- Jährliche Analyse der voraussichtlichen Alterseinkünfte
- Anpassung der Auszahlungsstrategie bei Änderungen
- Berücksichtigung von Steuerrechtsänderungen
- Professionelle Beratung nutzen
- Steuerberater für komplexe Situationen
- Rentenberater für Gesamtplanung
- Regelmäßige Aktualisierung der Planungen
Zukunftsperspektiven und Reformdiskussion
Die niedrigen Auszahlungsbeträge haben eine intensive politische Debatte über die Zukunft der Riester-Rente ausgelöst. Diskutierte Reformansätze umfassen:
- Vereinfachung der Produktstrukturen
- Kostenbegrenzungen
- Alternative Anlageformen
- Staatliche Standardlösung
Internationale Vergleiche
Andere Länder haben erfolgreichere Systeme entwickelt:
- Schweden: Premium Pension System mit niedrigeren Kosten
- Niederlande: Kollektive Pensionsfonds mit höheren Renditen
- Australien: Obligatorisches Superannuation System
Auswirkungen möglicher Reformen
Zukünftige Reformen könnten erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung haben:
- Änderungen der Förderstruktur
- Neue Auszahlungsoptionen
- Modifizierte Besteuerungsregeln
Praktische Handlungsempfehlungen für aktuelle Riester-Sparer
- Kurzfristige Maßnahmen
- Überprüfung der aktuellen Vertragssituation
- Hochrechnung der voraussichtlichen Auszahlungsbeträge
- Analyse der steuerlichen Gesamtsituation im Alter
- Optimierung der Beitragszahlungen für maximale Förderung
- Mittelfristige Strategien:
- Entwicklung einer integrierten Altersvorsorgestrategie
- Berücksichtigung alternativer Vorsorgeformen
- Regelmäßige Überprüfung und Anpassung
- Vorbereitung auf die Auszahlungsphase
Praktische Handlungsempfehlungen für angehende Rentner
- Auszahlungsplanung:
- Detaillierte Analyse aller Alterseinkünfte
- Optimierung des Auszahlungszeitpunkts
- Entscheidung über Teilkapitalauszahlung
- Koordination mit anderen Auszahlungen
- Steuerliche Optimierung:
- Nutzung von Freibeträgen und Progressionszonen
- Zeitliche Verteilung von Einmalzahlungen
- Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen
- Professionelle steuerliche Beratung
Fazit: Die Realität der Riester-Auszahlungen
Die Analyse der Auszahlung von angespartem Riester-Kapital zeigt, dass die durchschnittlichen Auszahlungen von 136 Euro pro Monat nicht ausreichen, um die Rentenlücke zu schließen. Die vollständige Steuerpflicht der Auszahlungen verschlimmert das Problem. Zudem erhalten 77 Prozent der Riester-Rentner weniger als 166 Euro pro Monat, was die Effizienz und soziale Gerechtigkeit des Systems infrage stellt. Die steuerliche Behandlung der Riester-Rente ist komplex und kann zu hohen Belastungen führen. Angesichts der strukturellen Probleme sind grundlegende Reformen notwendig. Alternative Systeme könnten bessere Ergebnisse erzielen, aber bis dahin müssen Riester-Sparer mit dem bestehenden System arbeiten. Eine individuelle Beratung und sorgfältige Planung sind erforderlich, um die steuerlichen Auswirkungen zu optimieren.
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