Altersvorsorge

Riester-Vertrag kündigen: Vollständiger Leitfaden zu Kosten, Fristen und besseren Alternativen

Die Riester-Rente wird häufig kritisiert und viele Verbraucher denken über eine Kündigung nach. Fast ein Viertel aller Riester-Verträge wurden bereits aufgelöst. Wer kündigt, muss jedoch staatliche Zulagen und Steuervorteile zurückzahlen, im Schnitt etwa 1.900 Euro pro Vertrag. Außerdem mindern Verwaltungsgebühren und Abschlusskosten den Rückkaufswert.

 

Der Kündigungsprozess: Formale Anforderungen und Fristen

Um einen Riester-Vertrag zu kündigen, ist eine Frist von sechs Wochen vor dem gewünschten Kündigungstermin zu beachten. Die Kündigungsfrist kann je nach Anbieter unterschiedlich sein, daher sollte man die Vertragsbedingungen genau lesen. Entscheidend ist, dass die Kündigung rechtzeitig beim Anbieter eingeht, nicht das Datum des Versands. Eine verzögerte Kündigung führt zu einer Verlängerung der Laufzeit des Vertrags.

Formale Anforderungen des Kündigungsschreibens
Die Kündigung eines Riester-Vertrags muss zwingend schriftlich erfolgen. Das Kündigungsschreiben sollte folgende Angaben enthalten:

  1. Persönliche Daten des Versicherungsnehmers (Name, Geburtsdatum, Anschrift)
  2. Widerruf der bestehenden Einzugsermächtigung oder des SEPA-Lastschriftmandats
  3. Bankverbindung für die Auszahlung des Rückkaufswerts (IBAN und BIC)
  4. Bitte um schriftliche Kündigungsbestätigung

Bearbeitungsdauer und Auszahlungsprozess
Nach Erhalt einer Kündigung kontaktiert der Riester-Anbieter die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA), um die Rückzahlung von Zulagen und Steuervorteilen zu klären. Der Kündigungsprozess kann bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen.

 

Finanzielle Konsequenzen: Was kostet die Kündigung wirklich?

Bevor man einen Riester-Vertrag kündigt, sollte man die damit verbundenen Konsequenzen bedenken:

  1. Der Rückkaufswert: Weniger als eingezahlt
    Wenn Sie einen Riester-Vertrag kündigen, wird der Rückkaufswert ausgezahlt, der sich aus den eingezahlten Beiträgen plus Zinsen und Überschüssen, abzüglich der Verwaltungs- und Bearbeitungsgebühren sowie der zurückzuzahlenden staatlichen Förderung zusammensetzt. Ein Beispiel zeigt, dass bei Einzahlungen von 9.625 Euro und Zulagen von 875 Euro theoretisch ein Guthaben von 10.500 Euro entsteht. Nach Abzug von Kosten und Rückzahlungen von Steuervorteilen und Zulagen verbleiben jedoch nur 6.000 Euro, was einen Verlust von 1.500 Euro oder 20 Prozent bedeutet.

  2. Abschluss- und Verwaltungskosten
    Die Kostenstruktur von Riester-Verträgen ist für Kunden, die frühzeitig kündigen, besonders ungünstig. Die Abschlusskosten werden auf die ersten fünf Jahre verteilt, und bei einer Kündigung in dieser Zeit müssen noch nicht getilgte Kosten vom Rückkaufswert abgezogen werden. Wer nach zwei Jahren aussteigt, kann Verluste von 50 Prozent oder mehr erleiden.

  3. Steuerliche Nachbelastung durch "schädliche Verwendung"
    Eine Kündigung eines Riester-Vertrags wird als "schädliche Verwendung" (§ 93 EStG)  betrachtet. Dies hat zur Folge, dass alle erhaltenen Steuerermäßigungen während der Sparphase vollständig zurückgezahlt werden müssen. Diese Rückzahlungspflicht besteht unabhängig vom Jahr der Gewährung oder der aktuellen Steuersituation des Vertragsinhabers. Bei einer Kündigung prüft die ZfA die Zulagen und das Finanzamt die Steuerermäßigungen. Der Rückzahlungsbetrag wird vom Vertragsguthaben abgezogen, und bei unzureichendem Guthaben muss der Verbraucher den Rest zahlen.

 

Bessere Alternativen zur Kündigung

Vor der Kündigung eines Riester-Vertrags sollte man alternative Optionen prüfen:

  1. Beitragsfreistellung: Die schonende Alternative
    Statt einen Riester-Vertrag zu kündigen, ist es möglich, ihn beitragsfrei zu stellen und somit die Zahlungen temporär oder permanent auszusetzen, ohne den Vertrag zu beenden. Die entscheidenden Vorteile:
    1. Keine Rückzahlungsverpflichtungen: Alle bisherigen Zulagen und Steuervorteile bleiben erhalten
    2. 100-Prozent-Beitragsgarantie: Das angesparte Kapital kann nicht durch Verwaltungskosten aufgezehrt werden
    3. Flexible Wiederaufnahme: Beitragszahlung kann jederzeit wieder aufgenommen werden
    4. Weiterverzinsung: Das Guthaben entwickelt sich entsprechend den Vertragsbedingungen weiter

  2. Beitragsreduzierung auf Mindestbeitrag
    Eine weitere Möglichkeit zur Beitragsreduzierung bei Riester-Renten ist die Zahlung des gesetzlichen Mindestbeitrags von 60 Euro jährlich. Eine Verringerung der Beiträge zur Riester-Rente kann allerdinmg zu einem teilweisen oder kompletten Verlust der staatlichen Zulagen führen. Um die volle Förderung zu bekommen, ist es notwendig, mindestens 4 % des Vorjahresbruttoeinkommens, abzüglich der Zulagen, einzuzahlen.

  3. Anbieterwechsel als Optimierungsstrategie
    Ein Anbieterwechsel bei Riester-Verträgen kann vorteilhaft sein, besonders wenn der aktuelle Vertrag hohe Kosten hat. Die angesparten Gelder und staatlichen Zulagen lassen sich auf einen neuen, kostengünstigeren Vertrag übertragen. 

  4. Umwandlung in Wohn-Riester
    Die Umwandlung in Wohn-Riester ist eine attraktive Option für Immobilienkäufer, da das angesparte Kapital für den Kauf oder die Tilgung einer selbstgenutzten Immobilie genutzt werden kann, ohne dass dies als schädliche Verwendung gilt.

 

Handlungsempfehlungen für Verbraucher

 Bevor Sie Ihren Riester-Vertrag kündigen, sollten Sie eine umfassende Bestandsaufnahme durchführen:

  1. Rückkaufswert anfragen: Fordern Sie explizit den Wert bei "förderschädlicher Verwendung" an
  2. Zulageauskunft einholen: Kostenlose Auskunft bei der ZfA über alle gewährten Förderungen
  3. Gesamtverlust berechnen: Gegenüberstellung aller Kosten und Rückzahlungsverpflichtungen
  4. Alternativen prüfen: Bewertung von Beitragsfreistellung, -reduzierung oder Anbieterwechsel

Wann eine Kündigung sinnvoll sein kann
In Ausnahmefällen kann es sinnvoll sein, teure und schlechte Verträge zu kündigen, da eine Anlage der Restmittel in hochwertige Produkte langfristig mehr einbringen kann als die Riester-Beitragsgarantie.

Professionelle Beratung nutzen
Die Komplexität der Riester-Rentenoptionen erfordert professionelle Beratung. Verbraucherzentralen bieten dazu unabhängige, nicht provisionsbasierte Beratungen an, da viele Finanzberater eher verkaufsorientiert beraten.

Rechtliche Schutzmaßnahmen
Überprüfen Sie, ob bei Vertragsabschluss fehlerhafte Widerrufsbelehrungen vorlagen, da dies die Möglichkeit eröffnet, den Vertrag auch nach Jahren zu widerrufen. Im Falle eines erfolgreichen Widerrufs müssen staatliche Förderungen nicht zurückgezahlt werden.

 

Fazit: Kündigung als letzter Ausweg

Die Kündigung eines Riester-Vertrages führt häufig zu erheblichen finanziellen Verlusten, wobei durchschnittliche Rückzahlungen bei etwa 1.900 Euro liegen und zusätzliche Kosten anfallen. Experten raten dazu, nicht übereilt zu kündigen, sondern alternative Optionen wie die Beitragsfreistellung oder die Reduzierung auf den Mindestbeitrag von 60 Euro zu nutzen, um weiterhin von staatlichen Förderungen zu profitieren. Eine Kündigung sollte nur in Notfällen oder bei nachweislich sehr schlechten Verträgen mit hohen Kosten in Erwägung gezogen werden. Eine Beratung bei einer Verbraucherzentrale ist ratsam, um alle Möglichkeiten zu prüfen, da es meist bessere Alternativen zur Kündigung gibt, trotz der hohen Kündigungsquote von 25 Prozent der Riester-Verträge.


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