Wenn ein Versicherungsvertrag vom Versicherer gekündigt wird, stehen Verbraucher oft vor einer unerwarteten und beunruhigenden Situation. Die Kündigung durch den Versicherer ist rechtlich möglich, unterliegt jedoch strengen gesetzlichen Regelungen und kann erhebliche Auswirkungen auf den Versicherungsschutz haben. Laut einer aktuellen Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aus dem Jahr 2024 wurden etwa 2,3 Prozent aller Versicherungsverträge von Versicherern ordentlich oder außerordentlich gekündigt, wobei die Gründe von Zahlungsverzug bis hin zu Vertragsverletzungen reichen. Diese Entwicklung zeigt die Bedeutung eines fundierten Verständnisses der rechtlichen Grundlagen und verfügbaren Handlungsoptionen für Versicherungsnehmer.
Das Kündigungsrecht von Versicherern ist ein wichtiges und komplexes Rechtsgebiet für beide Vertragsparteien.
Grundprinzipien des VVG bei Kündigungen
Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist die Basis für Kündigungen von Versicherungen durch den Versicherer. Die entsprechenden Regelungen befinden sich in den Paragraphen 19 bis 21 und sollen ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Versicherer und dem Schutz der Versicherten gewährleisten. Es wird zwischen ordentlichen Kündigungen mit festen Fristen und außerordentlichen Kündigungen aus wichtigen Gründen unterschieden.
Formvorschriften und Zustellungsregeln
Formvorschriften für Kündigungen sind wichtig.
- Sie müssen schriftlich erfolgen und dem Versicherungsnehmer zugehen. Elektronische Übermittlung ist nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers zulässig.
- Eine Kündigung gilt als zugestellt, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers kommt - bei Einschreiben am Tag der Übergabe, bei normaler Post am Tag des Einwurfs in den Briefkasten. Diese Regelungen sind für die Wirksamkeit von Kündigungen entscheidend.
Häufige Kündigungsgründe von Versicherern
Versicherer haben das Recht, aus verschiedenen gesetzlich festgelegten Gründen Verträge zu kündigen.
Ordentliche Kündigung durch den Versicherer
Die ordentliche Kündigung von Versicherungsverträgen muss fristgerecht erfolgen, meist mit einem Monat zum Ende der Versicherungsperiode gemäß § 19 VVG. Bei mehrjährigen Verträgen ist eine Kündigung erst nach den ersten drei Jahren möglich, danach jährlich zum Periodenende, was den Versicherten Schutz vor abrupten Kündigungen bietet und für Planungssicherheit sorgt.
Außerordentliche Kündigung bei wichtigem Grund
Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung durch den Versicherer liegt vor, wenn ihm das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist.
- Anerkannte Gründe sind schwerwiegende Verletzungen der Anzeigepflicht, arglistige Täuschung oder wiederholte grob fahrlässige Versicherungsfälle.
- Die außerordentliche Kündigung muss einen Monat im Voraus erfolgen und unverzüglich nach Kenntniserlangung des Grundes ausgesprochen werden. Versäumt der Versicherer dies, kann der Grund nicht mehr geltend gemacht werden, um die Rechte der Versicherungsnehmer zu schützen.
Kündigung nach Versicherungsfall
Nach einem Versicherungsfall können beide Vertragsparteien kündigen, wobei Versicherer das erhöhte Risiko nachweisen müssen, und die Kündigung wird zum Ende des Versicherungsjahres wirksam.
- Schadensregulierung und Kündigungsrecht
Der Versicherer kann bis zu einem Monat nach den Verhandlungen über die Schadenszahlung kündigen. Die Kündigung wird am Ende des Versicherungsjahres oder mindestens einen Monat nach Erhalt der Kündigungserklärung wirksam.Diese Regelung erlaubt es Versicherern, sich von riskanten Verträgen zu lösen, während der Versicherungsnehmer genügend Zeit hat, eine neue Versicherung zu finden. - Mehrfachschäden und Risikoeinschätzung
Versicherer können bei häufigen Schäden in kurzer Zeit eine Kündigung wegen erhöhtem Risiko aussprechen. Sie müssen jedoch beweisen, dass das Risiko überdurchschnittlich ist. Nicht jeder Schaden führt automatisch zu einer Kündigung; eine Gesamtbetrachtung der Umstände ist erforderlich.
Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten
Die Nichteinhaltung vorvertraglicher Anzeigepflichten ist ein häufiger Kündigungsgrund von Versicherern. § 19 VVG stellt klar, wann eine solche Kündigung erlaubt ist.
- Entscheidend dafür ist die Bedeutung der verschwiegenen Umstände. Der Versicherer muss nachweisen, dass er den Vertrag bei Kenntnis der Tatsachen anders gestaltet hätte. Dies schützt den Versicherungsnehmer vor willkürlichen Kündigungen.
- Bei arglistiger Täuschung oder grober Fahrlässigkeit kann der Versicherer außerordentlich kündigen, wobei unterschiedliche Verschuldensgrade und Fristen gelten. Die Unterscheidung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit kann umstritten sein und wird gerichtlich geklärt.
- Versicherungsnehmer sollten bei einer Kündigung wegen Verletzung der Anzeigepflicht rechtlichen Rat suchen.
Prämienverzug und Zahlungsrückstände
Bei Prämienverzug muss der Versicherer den Versicherungsnehmer mahnen und eine mindestens zweiwöchige Zahlungsfrist einräumen, bevor er kündigen kann. Bei Ratenzahlungen darf gekündigt werden, wenn zwei Raten ausstehen. Eine nachträgliche Zahlung vor Kündigungswirkung belebt den Vertrag jedoch wieder.
Rechtsfolgen und Wirksamkeit der Kündigung
Nach der Kündigung eines Versicherungsvertrages endet der Versicherungsschutz.
- Bei ordentlichen Kündigungen gilt das vereinbarte Kündigungsdatum, bei außerordentlichen Kündigungen das Ende der Kündigungsfrist.
- Bereits eingetretene, aber nicht gemeldete Schäden sind weiterhin versichert, wenn sie vor dem Kündigungszeitpunkt passiert sind.
- Nach einer Kündigung durch den Versicherer müssen bereits gezahlte Prämien für den Zeitraum nach der Kündigung zurückerstattet werden.
- Bei außerordentlichen Kündigungen aufgrund des Verschuldens des Versicherungsnehmers darf der Versicherer eine angemessene Geschäftsgebühr einbehalten. Diese muss jedoch verhältnismäßig sein und sich an den entstandenen Kosten orientieren.
Was Sie tun können, wenn Ihr Versicherer den Vertrag kündigt
Versicherungsnehmer können Kündigungen durch verschiedene Maßnahmen wie Widerspruch, Zahlung oder Rückgängigmachung entgegentreten und sollten bei komplexen Fällen rechtlichen Rat einholen.
- Widerspruch gegen die Kündigung
Versicherungsnehmer können einer Kündigung widersprechen, wenn sie formelle Fehler, unzureichende Gründe oder Fristversäumnisse vermuten. Der Widerspruch muss schriftlich mit Begründung erfolgen. Bei Kündigungen aufgrund von Zahlungsverzug kann die nachträgliche Zahlung die Kündigung unwirksam machen, falls diese rechtzeitig erfolgt. - Kündigungsumkehr als Gestaltungsoption
Die Kündigungsumkehr ist eine Option für Versicherte, wenn ein Versicherungsvertrag von der Gesellschaft gekündigt wird. Dabei kündigt der Kunde den Vertrag selbst und kann so bestimmte Ansprüche, wie die Rückabwicklung und Rückkaufswerte, sichern. Dies ist vor allem bei Lebens- und Rentenversicherungen von Vorteil, um bessere Bedingungen bei der Vertragsauflösung zu erzielen. Versicherte sollten die wirtschaftlichen Folgen jedoch genau abwägen. - Rechtliche Beratung und gerichtliche Durchsetzung
In komplexen Fällen oder bei erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen ist es ratsam, einen spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen, um die Rechtmäßigkeit einer Kündigung zu prüfen und bei Bedarf rechtliche Schritte einzuleiten. Die Erfolgschancen sind jedoch sehr fallabhängig, wobei Studien zeigen, dass rund 40 Prozent der Kündigungen von Versicherungen bei gerichtlichen Auseinandersetzungen ganz oder teilweise erfolgreich angefochten werden.
Präventive Maßnahmen und Vertragsmanagement
- Die wichtigste Maßnahme, um eine Kündigung von Versicherungen zu vermeiden, ist die pünktliche Zahlung der Prämien. Versicherungsnehmer sollten dazu das Lastschriftverfahren nutzen und bei einem Kontowechsel schnell die Bankdaten aktualisieren.
- Zudem ist es wichtig, alle vertraglichen Pflichten, wie die Anzeigepflicht bei Risikoerhöhungen und das Einhalten von Sicherheitsvorschriften, zu beachten und ordnungsgemäß zu dokumentieren.
Fazit und praktische Empfehlungen
Bei einer Kündigung des Versicherungsvertrags durch den Versicherer sollten Betroffene zunächst die Rechtslage genau prüfen, da eine unrechtmäßige Kündigung ungültig sein kann. Es ist wichtig, zeitnah zu reagieren, etwa durch Widerspruch, Zahlungsrückstände begleichen oder die Möglichkeit einer Kündigungsumkehr zu prüfen. Bei größeren wirtschaftlichen Folgen oder Unsicherheiten ist rechtlicher Rat von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht anzuraten. Vorbeugend sollten Verträge korrekt geführt, Prämien pünktlich gezahlt und vertragliche Pflichten beachtet werden, um das Risiko einer Kündigung zu minimieren.
Der Beitrag wurde am 17.11.2025 aktualisiert. Der Websitebetreiber garantiert nicht für Aktualität, Genauigkeit oder Vollständigkeit der Informationen und übernimmt keine Haftung für eventuelle Schäden. Es wird empfohlen, professionelle Beratung zu suchen.